VISION TAG
Hildesheim, Deutschland, die Weltgemeinschaft hat es geschafft. Gemeinsam ist die Menschheit ins Handeln gekommen und konnte noch die schlimmsten Szenarien der Klimakrise abwenden. Hildesheim hat dazu seinen Beitrag geleistet. 2022 gehörte Klimapolitik in Hildesheim noch nicht zu priorisierten Themen der stadtpolitischen Agenda. Doch die Stadt und die Menschen haben die Dringlichkeit und auch die Vorteile konsequenter Klimapolitik erkannt. Inzwischen hat sich die Stadt innerhalb der Metropolregion sogar den Ruf der grünsten Großstadt erarbeitet. Dafür hat sich im Stadtbild einiges getan. 
STADTRAUM
Die Stadt hat jetzt in seinem Tempo, Größen und Detailgrad wieder den gehenden Menschen im Fokus. Das hat zur Folge, dass die öffentlichen Flächen neu aufgeteilt wurden. Überall im Stadtraum gibt es nun genügend Platz und die Möglichkeiten nebeneinander zu gehen oder sich kurz oder länger hinzusetzen (Vgl. Umweltbundesamt 2022)So wurde aus Verkehrsraum wieder Stadtraum (vgl. Aichinger/Frehn 2017, S. 7).
MOBILITÄT
In der Aufteilung des Straßenraums wurde erst dem Fußverkehr ausreichend Raum eingeräumt, als Zweites bekam der Radverkehr Platz. Bei der Planung von Radwegen, wurden die verschiedenen Geschwindigkeiten und Platzbedarfe der Menschen berücksichtigt: langsame und schnelle Radfahrer:innen, sowie Lastenräder und Fahrräder mit Anhänger (vgl. Universitätsstadt Tübingen 2021, s. 28). Der verbleibende Platz wurde zwischen Grünflächen, öffentlichem Verkehr und motorisiertem individual Verkehr aufgeteilt. Im gesamten Stadtgebiet gilt nun Tempo 30 als maximale Geschwindigkeit (vgl. Umweltbundesamt 2022). Im Alltag spielen Autos aber mittlerweile nur noch eine untergeordnete Rolle (vgl. ebd.). 
15-MINUTEN-STADT
Alle alltäglichen Ziele sind zu Fuß oder per Fahrrad in 15 Minuten erreichbar (vgl. Wörlen et al. 2021, S. 58). Zusätzlich gibt es den neuen Stadtverkehr, der klimaneutral und nicht mehr gewinnorientiert unterwegs ist. Als klar wurde, dass die bestehenden Dieselbusse ausgetauscht werden müssen und überlegt wurde was die Alternative sein könnte, gab es einen offenen Beteiligungsprozess mit der Hildesheimer Bürgerschaft (vgl. Umweltbundesamt 2022). In diesem Prozess entschieden sich die Hildesheimer:innen die Straßenbahn wieder aufleben zulassen. So fahren jetzt wieder Straßenbahnen durch die Stadt und verbinden die Stadtteile miteinander und die Region Hildesheim mit der Stadt. Auf den Nebenstrecken fahren kleine Elektrobusse. 
ÖPNV
Der öffentliche Verkehr ist soweit ausgebaut, dass keine Wohnung mehr als 300m von einer Haltestelle entfernt ist (vgl. Schmechtig 2019, s. 43). Zusätzlich zur Straßenbahn wurden an den schon 2022 angedachten Gleishaltepunkten in Himmelstür (vgl. Raths 2019) und an der Domäne Bahnhöfe realisiert. Die Bahnhöfe sind zu intermodalen Knotenpunkten ausgebaut, hier stehen immer verschiedene Verkehrsmittel bereit. Straßenbahnen fahren alle 5 Minuten, Leihräder und Carsharingautos stehen direkt zur Verfügung. Dabei braucht es heute auch nicht mehr verschiedene Apps und Tickets, sondern die ganze Strecke und alle Verkehrsmittel werden zusammen gebucht (vgl. Wörlen et al. 2021, S. 57). Ticketpreise haben dabei nur noch einen Bruchteil der Preise von früher. Heute ist Mobilität für alle Menschen bezahlbar und attraktiv (vgl. Umweltbundesamt 2022).
NEUE FLÄCHEN STATT PARKPLÄTZE
Abstellflächen für private Autos sind komplett aus dem öffentlichen Raum verschwunden. Aus Parkraum wurde Lebensraum, so hat sich die Aufenthaltsqualität in allen Bereichen erhöht (vgl. Umweltbundesamt 2022). Am Anfang war die Skepsis noch groß, wie das Leben ohne Abstellplätze im öffentlichen Raum funktionieren sollte. Im Rahmen der Neugestaltung der Straßen gab es einen offenen Prozess, wie der verbleibende Straßenraum, der nicht als Mobilitätflächen benötig wird, genutzt werden soll. Es war klar, dass der Platz begrenzt war. Für Straßenzüge mit Mehrparteienhäusern ergaben sich rechnerisch 2-3m² pro Wohnung. Wenn ein Auto etwa den Platz ein Kinderzimmers mit 12 m² einnimmt  (vgl. Strothmann 2022), dann wäre die Rechnung nur für wenige Personen aufgegangen. Stattdessen kann auf dem gleich Raum ein Baum wachsen. 10 Fahrräder abgestellt werden (vgl. Aichinger/Frehn 2017, S. 39) oder Raum für die Straßengemeinschaft sein. Die meisten entschieden sich für mehr Grün- und Gemeinschaftsflächen und nur vereinzelte Stellplätze für geteilte Autos. Allgemein hat die Neugestaltung die Straßen- und Hausgemeinschaften gestärkt, seit es die Möglichkeit gibt sich mehr als nur im Flur zu begegnen. 
GRÜNFLÄCHEN
Insgesamt wurden mehr Frei- und Grünflächen geschaffen, so ist keine Wohnung mehr als 10 Minuten Fußweg von einer Freifläche entfernt (vgl. ThINK 2012, S. 56). Die bestehenden Grünflächen haben sich oder wurden den neuen klimatischen Bedingungen angepasst (vgl. ebd., S. 57)Die Stadt im Ganzen ist grüner geworden. Grünfassaden und entsiegelte Innenhöfe sorgen in den längeren Sommern für angenehme Kühle (vgl. Umweltbundesamt 2022).
VISION ZERO
Da Autos jetzt vorwiegend in den alten Parkhäusern stehen, sind sie nicht mehr ständig präsent (vgl. Universitätsstadt Tübingen 2021, S. 27). Sie werden nur für notwendige Fahrten geholt und genutzt (vgl. ebd.). Die heutigen Stadtautos sind dabei klein, leise und elektrisch (vgl. Umweltbundesamt 2022). Dadurch das heute weniger Autos und diese langsamer unterwegs sind, ist die „Vision Zero“ endlich Realität (vgl. ebd.). Seit 5 Jahren ist jetzt schon keine Person mehr im Straßenverkehr gestorben oder schwerverletzt worden. Der reduzierte Verkehr hilft auch bei Notfällen. Die Rettungswagen sind heute deutlich schneller am Ziel und bleiben nicht im Stau stecken (vgl. ebd.)
ENERGIE AUS DER STADT
Ein Großteil des benötigten Stroms wird heute direkt in Hildesheim produziert. Möglich wurde das mit einer flächendeckenden Nutzung der Dachflächen für Photovoltaikanlagen. Privatpersonen konnten ihre Dachflächen im Solarkataster eintragen lassen und zur Verpachtung anbieten. So konnten Genossenschaften oder Energieversorger die Flächen mit Solaranlagen bestücken und sich um alles Weitere kümmern. Vorbehalte wegen des Denkmalschutzes wurden dabei hinten angestellt. Für besondere Gebäude gibt es mittlerweile aber auch Dachziegel, die ohne Veränderung der Dachform verbaut werden können und Solarstrom liefern. (vgl. Wörlen et al. 2021, S. 31)
Durch die ganzen Umbaumaßnahmen ist nicht nur zu einer treibhausgasneutralen Stadt geworden. Auch die Lebensqualität in der Stadt hat sich deutlich erhöht.
VISION NACHT
VISION LICHT
Das Licht in einem Hildesheim 2035 bringt die Bedürfnisse der Menschen und der Natur zusammen. Es leuchtet nur dort und zu den Zeiten wo wir Menschen es wirklich benötigen. Es orientiert sich an folgenden Parametern:​​​​​​​
> Es werden möglichst wenig Lichtpunkte und Ressourcen verplant.
> Es gibt keine Beleuchtung die in den oberen Halbraum strahlt.
> Die Leuchten in den verschiedenen Straßentypen haben verschiedene Lichtfarben. Mit den Lichtfarben wird der Stadtraum gegliedert.
> Die Leuchten sind dimmbar.
> Die Straßenbeleuchtung wird über Dämmerungssensoren am Morgen ein- und abends ausgeschaltet.
> Über die Nacht hinweg gibt es verschiedene Helligkeitsniveaus.
​​​​​​​In der Hauptverkehrszeit bis 20 Uhr und morgens ab 5 Uhr ist das Helligkeitsniveau auf 100 %. In den Abendstunden von 20- 23 Uhr ist das Licht auf 60% oder eine Beleuchtungsklasse reduziert. In der Nacht von 23 bis 5 Uhr ist das Licht auf 30% oder um 3 Beleuchtungsklassen reduziert.
> Die Beleuchtung wird zentral gesteuert. Für Veranstaltungen lassen sich die Helligkeit und Schaltzeiten von einzelnen Straßenabschnitten einfach anpassen.
> Die Beleuchtung ist blendfrei. Für eine möglichst blendfreie Beleuchtung haben die Leuchten in den Hauptwegerichtungen einen Halbwertwinkel von unter 45° senkrecht zum Boden.
> Der Stromverbrauch der neuen Lichtkonzepte ist geringer als der Stromverbrauchs der aktuell installierten Leuchten.
„Ja, wir könnten jetzt was gegen den Klimawandel tun, aber wenn wir dann in 50 Jahren feststellen würden, dass sich alle Wissenschaftler doch vertan haben und es gar keine Klimaerwärmung gibt, dann hätten wir völlig ohne Grund dafür gesorgt, dass man selbst in den Städten die Luft wieder atmen kann, dass die Flüsse nicht mehr giftig sind, dass Autos weder Krach machen noch stinken und dass wir nicht mehr abhängig sind von Diktatoren und deren Ölvorkommen. Da würden wir uns schön ärgern.“

Marc-Uwe Kling in Die Känguru-Apokryphen
QUELLEN
AICHINGER, W.; FREHN, M. (2017) Straßen und Plätze neu denken. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/421/publikationen/180109_uba_broschuere_strassen_und_plaetze_neu_denken.pdf
RATHS, A. (2019) Neue Chance für Halt in Marienburg? 
https://www.hildesheimer-allgemeine.de/meldung/neue-chance-fuer-halt-in-marienburg.html
SCHMECHTIG, M. (2019) Nahverkehrsplan 2020. Endbericht.
https://www.stadt-hildesheim.de/portal/seiten/nahverkehrsplan-900002386-33610.html
STROTHMANN, L. (2022) Leben ohne Auto Kommt Zeit, kommt Rad. In: taz.
https://taz.de/Leben-ohne-Auto/!5846129/
ThINK (ed.) (2012) Klimawandelgerechte Stadtentwicklung für Jena. Handbuch. Thüringer Institut für Nachhaltigkeit und Klimaschutz GmbH.
https://www.db-thueringen.de/receive/dbt_mods_00038148
UMWELTBUNDESAMT (2022) Die Stadt für Morgen: Die Vision. 
https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/nachhaltige-mobilitaet/die-stadt-fuer-morgen-die-vision#kompakt
UNIVERSITÄTSSTADT TÜBINGEN (HRSG.) (2021) Klimaschutzprogramm 2020 bis 2030. für die Zielsetzung „Tübingen klimaneutral 2030“
https://www.tuebingen.de/Dateien/broschuere_klimaschutzprogramm.pdf
WÖRLEN, C.; KOHLMEYER, K.; BRAND, J.; SCHLAGENWERTH, N. (2021) Klimaneutral leben 2035. Wie Verbraucher:innen ihren Alltag in Zukunft CO2-frei gestalten und was die Politik dafür tun muss. LichtBlick.
https://www.lichtblick.de/klimareport/


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